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Konzeption zur Mädchen- und Frauenbildung an St. Klara

Bereits Untersuchungen zu Beginn des Jahrtausends zeigen, dass Mädchen von Schule und Unterricht derzeit mehr profitieren als Jungen. In den letzten Jahren stieg das schulische Bildungsniveau überall in Europa an. Inzwischen sind 53 Prozent der Studierenden in der EU weiblich, in Deutschland 49,5 Prozent. (Gender Report BMFSFJ 2005)

Dabei haben die jungen Frauen in Deutschland die Männer im Hinblick auf ihre Schulbildung nicht nur eingeholt, sondern schon überholt. Mädchen werden in Deutschland im Durchschnitt früher eingeschult, sie wiederholen seltener eine Klasse und besuchen häufiger ein Gymnasium als Jungen.

Diese Entwicklung zeigt, dass Jungen in der Schule größere Probleme haben als Mädchen. Die Mädchen durchlaufen die Schule heute schneller als Jungen und sie erzielen die anspruchsvolleren Abschlüsse.

Daraus könnte man schlussfolgern, dass Monoedukation, in unserem Fall Mädchenbildung überholt sei. Doch sicherlich ist dem nicht so. Zwar ist die Benachteiligung von Frauen auf dem Weg zu einem höheren Schulabschluss heute nicht mehr gegeben – im Gegenteil.  Und trotzdem erfahren Frauen gesamtgesellschaftlich gesehen immer noch Benachteiligung (weniger Frauen in Führungspositionen, ungleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit)[1].

Bereits bei der Gründung  der Kongregation der Franziskanerinnen  von Sießen im Jahre 1853 stand die „Bildung und Erziehung der weiblichen Jugend“  als eines der Hauptanliegen im Vordergrund. Somit stellten sich die Sießener Schulen bewusst in diese Tradition hinein und auch heute hält unsere Schule St. Klara in Rottenburg zeitgemäße Mädchen- und Frauenbildung für eine wichtige Aufgabe – wohl wissend, dass es die Mädchen nicht gibt und die Lebensmöglichkeiten junger Frauen vielfältiger geworden sind.

Deshalb  steht Mädchen- und Frauenbildung im Spannungsfeld zwischen der je individuellen Persönlichkeitsentwicklung und den vielschichtigen gesellschaftlichen Bedingungen  und Erwartungen. Die Entfaltung der Persönlichkeit und die Suche nach der eigenen Identität, die durch eine Annahme und Bejahung der eigenen Geschlechtlichkeit wesentlich unterstützt werden kann, ist Bestandteil einer  ganzheitlichen Bildung und Erziehung an unserer Schule.

Hierzu will unsere Mädchenschule den notwendigen Raum schaffen und damit einen Beitrag zur späteren Lebensgestaltung leisten. In die Schulzeit fällt der Übergang vom Kindsein zum Frausein. Unsere Schule setzt sich konstruktiv mit diesem Übergang auseinander und nimmt in besonderer Weise die  körperliche, geistige und seelische Entwicklung von Mädchen in den Blick. Dabei geht es in erster Linie um den Aufbau eines positiven Selbstbilds. Zentral ist ebenfalls das Aufdecken unreflektierter Rollen-Zuschreibungen und Stereotype.

Gut kann dies auf der Basis einer geschlechtersensiblen Pädagogik, die auf Mündigkeit hin angelegt ist, verwirklicht werden [2].

Ein solcher Unterricht ist geschlechtersensibel und vom Moment der wertschätzenden Rückmeldung geprägt, um die oft sehr dynamischen Veränderungen der jungen Frauen angemessen zu begleiten.  Die unterschiedlichen Erfahrungen, Verhaltensweisen, Einstellungen und Vorlieben gilt es respektvoll wahrzunehmen und ermutigend im gegenseitigen Dialog aufzuschließen und reflexiv verständlich zu machen.

Ein solcher Unterricht braucht Offenheit, Toleranz und Selbstreflexion. Die Arbeitsformen gilt es bewusst zu wählen bzw. zu wechseln, damit aktiven, kognitiven und kooperativen Lerntypen genügend Rechnung getragen wird.

Mädchen und junge Frauen sollen in unserer Schule vor allem in dieser prägenden Lebensphase in ihrem Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl gestärkt und zur Übernahme von Verantwortung herausgefordert werden.

Im Unterricht und im Miteinander lernen die Schülerinnen Selbstständigkeit, entwickeln Dialog- und Konfliktfähigkeit, entfalten  ihre Beziehungsfähigkeit.

Wir halten es für zielführend, mit den Mädchen und jungen Frauen der Sekundarstufe ein breit angelegtes Berufsinteresse zu entwickeln, das Leben in Familien und Lebensgemeinschaften zu thematisieren und Rollenzuschreibungen in Kultur, Sport, Freizeit und Gesellschaft zu hinterfragen und zu reflektieren, um Orientierung zu geben und um eventuell einengende Lebens- und Berufsentwürfe bewusst zu machen und zu erweitern.

Hier ist es notwendig, dass wir als  Ordensschule Erziehungs- und Bildungs­ziele im Blick auf eine offene Zukunft im Lichte eines christlichen Menschenbildes  formulieren.

Hierbei sind uns Franziskus und Klara handlungsleitend, die beide, jede und jeder für sich, aber auch in vielen Punkten gemeinsam, gelebt, sich entwickelt, sich gegenseitig gestützt und schließlich ihren je eigenen Weg mit sich und mit den anderen gefunden haben.

Erziehungsziele sind:

•             Dialogfähigkeit, eingeübt durch bestimmte Sozialformen

•             sozialverträgliche Normen der Konfliktbewältigung

•             Teamfähigkeit

•             Empathie, Fürsorglichkeit, Partnerschaftlichkeit

•             Selbstbestimmung und Kritikfähigkeit

•             Kennenlernen von geschlechtsunabhängigen und geschlechtsspezifischen Potentialen

•             Wege zum eigenen und gemeinsamen Glauben finden


Konzeptionelle Umsetzung

Umgesetzt werden diese Profilstrukturen auf verschiedenen Ebenen.

Kollegiale Ebene Austausch und Diskussion zur Mädchen- und Frauenbildung im Gesamtkollegium (bspw. Jahrestagung, GLKs)
Stufenebene Klaratag in Kl.5
Klostertage Kl.6
Mädchentage Kl.8
Besinnungstage Kl.9 / 10
Assisifahrten Kl.11 Gemeinsame Gottesdienste und gemeinsames Feiern und Erleben Morgenkreis und Atempause in jeder Klassenstufe Prävention in Kl. 5-9: soziale Konflikte und emotionales Lernen, Essstörungen, etc.
Fach- bzw. Unterrichtsebene Klassenlehrerstunden Gäste aus weniger bekannten Berufsbildern und Lebenssituationen Elemente des Dialogischen Lernens Leistungen sichtbar machen in Kompetenzportfolios Auswahl entsprechender Lektüren im Deutsch-Unterricht Religionsunterricht
Außerunterrichtliche Angebote Sozialprojekt Klasse 8
erlebnispädagogisches Schullandheim
Lehrfahrten in allen Klassenstufen

 

 

 


[1] Ergebnisse der Shell Studie 2015: Aussagen zur Gestaltung der Berufstätigkeit: Während fast ein Drittel der jungen Frauen (30%) die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, wichtig findet, ist dies unter den Männern weniger als ein Viertel (23%). Dass sich die Arbeitszeit kurzfristig an die Bedürfnisse anpassen lassen können sollte, steht bei jungen Frauen ebenfalls höher im Kurs (42% zu 37%). Noch deutlicher werden die Unterschiede bei der Frage, wie sehr die Jugendlichen in Teilzeit arbeiten möchten, wenn Kinder da sind. Hier liegen die Frauen (62% zu 25%) deutlich vor ihren männlichen Altersgenossen.

[2] Nach Heinrich Roth (Pädagogische Anthropologie, Band 2, 1986) drückt pädagogische Mündigkeit „Kompetenz in dreifachem Sinne“ aus: Selbstkompetenz, Sozialkompetenz und Sachkompetenz